eckstein-photography

IDIOTIE

ESOTERIOTIE

HIGH END

Die Esoteriotie ist auch im technischen Sektor weitverbreitet und besonders lukrativ:
vollkommen sinnlose und oft sogar schädliche Geräte werden in Massen angeboten – und gekauft.
Von Wünschelruten und Pendeln, über Wasserbelebungsgeräte, bis hin zu Orgon-Strahlern oder Handy-Entstrahlern – eine vollständige Aufzählung würde den Rahmen sprengen.

Hier aber soll es jetzt lediglich um eine Nischen-Abzocke gehen: High End HiFi-Geräte.

Seit dem Auftauchen der Compact Disc Anfang der Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts schüren selbsternannte Experten die Mär vom besseren Klang der guten alten Schallplatte. Die CD klänge unnatürlich, man könne die Digitalisierung hören, überhaupt sei der Schallplattenklang wärmer.

Dass dies so empfunden wird, hat eine simple Bewandtnis:
Der Mensch ist den verfälschenden Schallplattenklang gewohnt.

Eine Schallplatte beschneidet den Frequenzgang und die Dynamik dramatisch, aber unser Gehirn korrigiert dies.
Und: die Gewöhnung sorgt für bestimmte Klangerwartungen. Wenn ein Kind, das vorher noch nie eine Schallplatte kennengelernt hat, mit einer solchen beglückt wird, wird es unweigerlich sagen: "Das klingt aber scheußlich!" (Gehen wir bei diesem Idealkind mal davon aus, dass es weder autoradio- noch ghettoblastergeschädigt ist und Musik nur aus adäquaten HiFi-Anlagen und -Lautsprechern kennt.)

Fakt ist: eine CD überträgt den kompletten hörbaren Frequenz- und Dynamikbereich und ist neutral.
Wenn nicht – wie mutmaßlich bei mindestens 90 % aller Aufnahmen – der Tonmeister am Mischpult danebengreift.
Was aber bei Schallplatten genauso bzw. noch mehr der Fall ist, da hier ja korrigiert werden muss.

Der Vinyl-Kult der letzten Jahre ist aber bloß die Spitze des Abzocke-Eisbergs:
richtig abstrus wird es, wenn – und das ist die Regel – Röhrenverstärker als das Nonplusultra des Musikgenusses gepriesen werden.
Auch hier die gleichen Argumente: wärmer, natürlicher, echter sollen sie klingen als ihre "billigen" Transistoren-Geschwister.

Und auch hier gilt: Klangerwartung und tatsächlich neutrale Klangabbildung liegen weit auseinander.
Des weiteren haben Röhrenverstärker ausschließlich Nachteile gegenüber Transistorenverstärkern.

Die technischen Hintergründe dieser Absurdität werden in diesem Artikel aufs Trefflichste erläuert:

 Röhrenverstärker 


Auf die Spitze treibt es dann der Voodoo um Stecker, Kabel und anderes Zubehör, oft "überragende Übertragungsqualitäten" versprechend – teilweise zum hundertfachen Preis gegenüber einfachen Kabeln. Aber allein schon aus physikalischen Gründen kann dies keinerlei Verbesserungen bringen – im Gegenteil: so hat beispielsweise das gerne verbaute Gold schlechtere elektrische Leitfähigkeit als Silber oder Kupfer. Zwar korrodiert Gold kaum, aber dieser Aspekt ist fast immer irrelevant.
Bestenfalls gut abgeschirmte (aber dennoch preisgünstige) Koaxialkabel haben Vorteile gegenüber Billigstvarianten.

Weiters werden "möglichst wenige Bauteile" gefordert, "um den Signalweg nicht zu stören".
Schon deshalb ist ein Equalizer für jeden HiFi-Connaisseur das Allerletzte, vollkommen undenkbar, ekelerregend.
Dass die Signale aber in einem anderen Bauteil, ohne welches überhaupt nichts geht, bei weitem am stärksten "gestört" (also verändert und verfälscht) werden, wird oft völlig außer Acht gelassen, und gerade an diesem Bauteil wird dann häufig Geld eingespart, welches man anderweitig völlig unsinnig investiert hat – die Rede ist von Lautsprechern.

Lautsprecher beeinflussen den Klang so sehr, dass dagegen der Rest der HiFi-Anlage für die Wiedergabe so entscheidend ist, wie es für die deutsche Verkehrssicherheit ist, wenn in China ein Fahrrad umfällt!

Da aber kein einzelner Lautsprecher Klänge auch nur halbwegs neutral wiederzugeben vermag, muss der Klang im Endverstärker so ausgegeben (also verfälscht) werden, dass in Kombination mit der Verfälschung der Lautsprecher das Klangbild möglichst neutralisiert wird!

Und genau hierzu ist ein Equalizer oder ein DSP das ideale Mittel.
Die Klangregelung im Verstärker lässt bestenfalls ein Anheben oder Absenken der Höhen und Bässe, manchmal auch der Mitten, zu.
Damit können Unregelmäßigkeiten im Frequenzgang der Lautsprecher kaum ausgeglichen werden, da hierzu oft Korrekturen in bestimmten schmalen Frequenzbereichen nötig wären.
Zwar können in Mehrweg-Lautsprechersystemen Saug- und Sperrkreise in der Frequenzweiche durchaus ziemlich wirkungsvoll sein – dies ist aber erheblich aufwändiger als ein Equalizer. Außerdem kommt dies bei Breitbandlautsprechern kaum in Frage.
In das Für und Wider von Breitbändern möchte ich hier nicht weiter einsteigen, nur so viel:
Als langjähriger Mehrweg-Erbauer und -Hörer bin ich vor einiger Zeit auf Breitbänder (im Selbstbau als Rundstrahler) umgestiegen – und ziemlich begeistert.

Für eine klanglich perfekte HiFi-Anlage wird lediglich benötigt:
CD-Player (der billigste klingt genauso wie der teuerste – Unterschiede betreffen nur den Bedienkomfort) ca. € 200
Equalizer (2 x 15 Kanäle ist Minimum) ca. € 150
Amplifier (2 x 30 Watt Sinus ist völlig ausreichend – selbst für volle Orchesterlautstärke) ca. € 200
Lautsprecher (je besser desto besser – was aber nicht zwangsläufig mit dem Preis korreliert) Paar ab ca. € 1000 (im Selbstbau schon ab ca. € 400)
Messgeräte und Software für die Frequenzanalye (es wird sich herausstellen, dass der persönliche Geschmack ganz und gar nicht dem Neutralklang entspricht!) min. € 150